Egon Ammann,  Ammann Verlag Zürich, Verleger von Gerhard Meier – Kandelaber Verlag Bern »Kübelpalmen träumen von Oasen« 1969, »Im Schatten der Sonnenblumen« 1967, mit Jugendfreund Pedro Meier Artist Niederbipp – 2010 – Photo © Pedro Meier
Egon Ammann, Ammann Verlag Zürich, Verleger von Gerhard Meier – Kandelaber Verlag Bern »Kübelpalmen träumen von Oasen« 1969, »Im Schatten der Sonnenblumen« 1967, mit Jugendfreund Pedro Meier Artist Niederbipp – 2010 – Photo © Pedro Meier
Pro Lypros, Literaturzeitschrift, Pedro/Peter Meier Gründer und Herausgeber mit Egon Ammann, 1959 Bern. Literaturbeiträge: Gerhard Meier, Peter (Pedro) Meier, Egon Ammann alias Klaus Pirmann, Sergius Golowin u.a., Grafik HAP Grieshaber. Archiv Pedro Meier
Pro Lypros, Literaturzeitschrift, Pedro/Peter Meier Gründer und Herausgeber mit Egon Ammann, 1959 Bern. Literaturbeiträge: Gerhard Meier, Peter (Pedro) Meier, Egon Ammann alias Klaus Pirmann, Sergius Golowin u.a., Grafik HAP Grieshaber. Archiv Pedro Meier
Literaturzeitschrift Pro Lypros, Pedro/Peter Meier Gründer und Herausgeber mit Egon Ammann, 1959 Bern. Literaturbeiträge: Gerhard Meier, Peter (Pedro) Meier, Egon Ammann alias Klaus Pirmann, Sergius Golowin u.a. Grafik HAP Grieshaber. Archiv © Pedro Meier
Literaturzeitschrift Pro Lypros, Pedro/Peter Meier Gründer und Herausgeber mit Egon Ammann, 1959 Bern. Literaturbeiträge: Gerhard Meier, Peter (Pedro) Meier, Egon Ammann alias Klaus Pirmann, Sergius Golowin u.a. Grafik HAP Grieshaber. Archiv © Pedro Meier
Egon Ammann Verleger Berlin und Pedro Meier in Ausstellung »Malen ist auch ein archaisches Unterfangen« von Pedro Meier 2010 – Kulturverein Niederbipp Räberstöckli – im Hintergrund »Aschenbilder« – © Pedro Meier Artist– (»Selfie-Art-Project« – Pedro Meier
Egon Ammann Verleger Berlin und Pedro Meier in Ausstellung »Malen ist auch ein archaisches Unterfangen« von Pedro Meier 2010 – Kulturverein Niederbipp Räberstöckli – im Hintergrund »Aschenbilder« – © Pedro Meier Artist– (»Selfie-Art-Project« – Pedro Meier

Verleger Egon Ammann gestorben

 

Er war unter den Büchernarren der leidenschaftlichste und verrückteste

 

von Roman Bucheli   11.8.2017 - NZZ

 

 

In Berlin ist der ehemalige Verleger Egon Ammann am 9. August 75-jährig gestorben. Er hatte 1981 den Ammann-Verlag gegründet und ihn dreissig Jahre lang geführt.

 

Er war unter den grossen Verlegerfiguren vielleicht nicht der erfolgreichste. Aber Egon Ammann war mit Sicherheit der verrückteste und der leidenschaftlichste. Siegfried Unseld hatte mit dem Suhrkamp-Imperium den geistigen Horizont der jungen Bundesrepublik mitgestaltet. Michael Krüger brachte im Münchner Hanser-Verlag die Weltliteratur nach Deutschland. Aber keiner tanzte verwegener auf dem Hochseil der Verlegerei als Egon Ammann; kein Abgrund schreckte ihn, je gähnender, desto willkommener. Er stürzte sich in jedes Abenteuer, manchmal fiel er, und es kümmerte ihn nicht; manchmal aber zauberte er, und es sah ganz einfach aus.

 

Immer aber kämpfte er für seine Bücher, für seine Autorinnen und Autoren, für seinen Verlag. Er war ein Artist und ein Choleriker. Er konnte sanft sein, und er konnte alttestamentarisch toben. Er kleidete sich stets in edles Tuch, als habe er sich gerade von seinem italienischen Modeschöpfer ausstatten lassen; in seinem Habitus aber hatte er sich den derben Charme des zeitweiligen Lastwagenfahrers bewahrt. Dass er ein Büchernarr war, sah man ihm nicht auf den ersten Blick an. Wenn er umgekehrt im Arbeiter-Overall nicht schlechter ausgesehen hätte als im feinen Anzug, so hätte man trotzdem nicht erwartet, dass er in praktischen Dingen besonders begabt gewesen wäre. Man hätte ihn nicht ohne Not gebeten, eine Glühbirne auszuwechseln.

 

Er las, aber rechnete nicht

 

Egon Ammann war ein Mensch der vielen Talente und ausserdem ein virtuoser Verwandlungskünstler – und vielleicht gerade darum jemand, der ein schärferes, manchmal auch unerbittliches Auge hatte für eigene Unzulänglichkeiten. Dass er auch ein Melancholiker war, hatte seinen Ursprung vielleicht darin. Denn die Verwandlungskunst ist doch zuletzt die Kehrseite der Verlorenheit in Welt und Dasein.

 

Darin muss ausserdem Ammanns Leidenschaft für die Bücher ihren Anfang genommen haben. Er fand in Geschichten und in der Sprache einen Raum, der ihm die Welt ins Imaginäre öffnete und vervielfachte. Egon Ammann war kein Träumer, er machte aber auch keine Geschäfte mit Büchern. Er liebte sie mehr, als er mit ihnen rechnete. Sein erster Kleinverlag ging fünf Jahre nach der Gründung in Konkurs: Aber er hatte u. a. zwei Bücher von Gerhard Meier verlegt, von dem damals kaum einer, später aber alle sprachen.

 

Mit dem Ammann-Verlag stand er dreissig Jahre lang häufiger am Rand des Ruins als in den gemässigten Zonen von gesicherter Liquidität und komfortabler Rentabilität. Keiner weiss, wie er es trotzdem immer wieder geschafft hat. Doch, natürlich wusste man es. Es war ein offenes Geheimnis: Er hatte Förderer im Hintergrund. Als er 1981 mit Thomas Hürlimanns Erstling «Die Tessinerin» seinen Hochseilakt begann, stand ihm Siegfried Unseld diskret bei. Dieser hielt grosse Stücke auf den gerade vierzigjährigen Ammann, der ab 1975 einige Zeit Lektor in der Zürcher Suhrkamp-Niederlassung gewesen war, aber weiterhin von seinem eigenen Verlag geträumt hatte. Unseld wollte ein abermaliges Scheitern verhindern. Später erhielt Ammann Unterstützung durch den Winterthurer Fotografen und Mäzen George Reinhart.

 

Nach Reinharts frühem Tod fand er in Monika Schoeller, der Holtzbrinck-Erbin und Verlegerin von S. Fischer, eine stille Teilhaberin an seinem Verlag. Anders wären die vielen Verrücktheiten nicht möglich gewesen, die Ammann in seinem Verlag realisierte: von der Ausgabe der Werke Fernando Pessoas oder Ossip Mandelstams bis zu der grandiosen Neuübersetzung von Dostojewskis Romanen durch Swetlana Geier.

 

Im Ausnahmezustand

 

Aber wiederum ist der finanzielle Rückhalt nur das eine; das andere, das Wichtigere und also Entscheidende waren Ammanns Wachheit, Verrücktheit und Unbeirrbarkeit. Er sah Bücher, wo es sie noch gar nicht gab. Er fand die Poesie, wo andere achtlos vorübergingen. Er wusste nicht mehr als andere. Aber er hörte mit vielen Organen und an allen Orten, er kannte mehr Buchhandlungen, als ihm vielleicht guttat, und keine war ihm zu klein, um nicht auf Überraschungen zu hoffen.

 

Er habe geahnt, so schrieb er einmal in Anlehnung an den rumänischen Schriftsteller Mircea Dinescu, dass die Literatur ein Ausnahmezustand sei. So hat Egon Ammann die Literatur auch gelebt. Er war im dauernden Erregungszustand dessen, der gerade eine junge Autorin entdeckt hatte, der gerade ein neues Manuskript mit Thomas Hürlimann während zweier Tage und Nächte lektoriert hatte, der gerade ein neues Übersetzungsprojekt angestossen hatte, von dem er keine Ahnung hatte, wem und wie er es verkaufen sollte, von dem er nur wusste: Er musste es machen. Koste es, was es wolle.

 

Der bittere Weg

 

Mit solcher Unbedingtheit hat er den Verlag zusammen mit seiner Frau Marie-Luise Flammersfeld geführt. Und mit der gleichen Entschlossenheit hatten die beiden entschieden, es sei nach dreissig Jahren genug. Sie verkauften den Verlag nicht; sie gaben ihn nicht in jüngere Hände. Sie machten zur grossen Bestürzung der vielen Autorinnen und Autoren den Verlag einfach zu. Wenige verstanden damals diesen Schritt. Heute weiss man: Es war der einzig richtige. Es gab den Verlag nur mit Egon Ammann und mit Marie-Luise Flammersfeld. Sie waren das Feuer, das Herz, die Maschine des Verlags. Als die Kraft ausging, konnte es nur einen Weg geben, den irgendwie bitteren.

 

Am 10. August 2009 hatten die beiden Verleger die für Mitte 2010 geplante Schliessung des Verlags bekanntgegeben. Fast auf den Tag genau acht Jahre später, am 9. August, ist Egon Ammann 75-jährig in Berlin gestorben. Er hinterlässt ein Werk, das fortdauern wird: In den vielen Autoren, die er gefördert hatte: von Thomas Hürlimann über Ruth Schweikert bis zu Ulrich Peltzer; mit den vielen internationalen Autoren, die in seinem Verlag erschienen sind: der Australier Les Murray oder der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka, Ismail Kadare aus Albanien oder die beiden Franzosen Eric-Emmanuel Schmitt und Georges-Arthur Goldschmidt; schliesslich mit monumentalen Editionen.

 

Quelle:   NZZ

 

 

 

Egon Ammann Verleger und Pedro Meier Kunstmaler – zwei Buchhändler-Jugendfreunde – vor der Glyzinien-Wand – Gerhard Meier Haus in Niederbipp alias Amrain 8. Mai 2010 – Selfie-Foto von © Pedro Meier Multimedia Artist – Literaturhaus – Literaturarchiv
Egon Ammann Verleger und Pedro Meier Kunstmaler – zwei Buchhändler-Jugendfreunde – vor der Glyzinien-Wand – Gerhard Meier Haus in Niederbipp alias Amrain 8. Mai 2010 – Selfie-Foto von © Pedro Meier Multimedia Artist

 Zum Tod von Egon Ammann Aus der Nische ins Licht der Welt

 

Pessoa, Mandelstam, Hürlimann: Der Schweizer Verleger Egon Ammann hatte ein Gespür für exzellente Autoren. Nun ist er im Alter von 75 Jahren gestorben.

 

12.08.2017, von Tilman Spreckelsen

 

Auf der Karte Europas ein Fleck“, so hieß der Band, den der Lyriker Manfred Peter Hein 1991 bei Ammann herausgab: Eine Sammlung von Avantgarde-Gedichten aus den Jahren 1910 bis 1930, entstanden in den kleinen Nationen zwischen dem deutschen und dem russischen Reich, wahrlich ein blinder Fleck also und damit wie geschaffen für ein Verlagsprogramm, das sich oft genug dem Ausleuchten solcher Bereiche gewidmet hat.

 

Nun täte man dem Verleger Egon Ammann, geboren 1941 in Bern, großes Unrecht an, wenn man vermutete, dass es ihm um das Abseitige an sich gegangen sei. Eher trieb ihn die Suche nach Texten in der Nische an, denen er zutraute, weit größere Kreise zu erreichen, eben weil sie ihn selbst begeistert hatten. Oft genug ging die Rechnung auf, auch wenn er mit seinem ersten Unternehmen, dem in den sechziger Jahren gegründeten Kandelaber Verlag nach kurzer Zeit Schiffbruch erlitten hatte und ihm erst das Angebot Siegfried Unselds, im Schweizer Suhrkamp-Büro zu arbeiten, ins Verlagswesen zurückführte.

 

Sechs Jahre darauf war es ein Manuskript von Thomas Hürlimann, das Ammann – gemeinsam mit seiner Frau Marie-Luise Flammersfeld – zur Gründung eines neuen Verlags motivierte, der nun den eigenen Namen trug und im ersten Programm 1981 Hürlimanns Erzählung „Die Tessinerin“ publizierte.

 

Sorgfältige Übersetzungen, liebevolle Werkausgaben

 

Der Name hatte bald einen exzellenten Klang. Die literarische Welt verdankt ihm große, sorgfältig übersetzte und liebevoll gestaltete Werkausgaben wie die von Ossip Mandelstam oder Fernando Pessoa, Ammann beförderte nachdrücklich Swetlana Geiers Dostojewski-Übersetzungen, verlegte László Krasznahorkai und Ulrich Peltzer und Wole Soyinka – dass der Nigerianer danach mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, war einer vieler Glücksfälle, die den von Geldsorgen geplagten Verlag über einen längeren Zeitraum am Leben erhielten. „Er war einer von denen, die in der Kurve Gas geben“, beschreibt ein Weggefährte den Mut des Verlegers, gerade in finanziell schwierigen Zeiten Projekte für die kommenden Programme anzugehen. Und weil seine Bücher so bezwingend waren, fand der Verleger auch immer wieder Förderer für sein Unternehmen.

 

Vor sieben Jahren hat Ammann den Verlag geschlossen, nachdem er dafür keinen geeigneten Nachfolger gefunden hatte. Welch glückliche Hand er bei der Auswahl seiner Autoren bewies, zeigt heute der Blick in die Programme anderer Verlage, in denen viele dieser Autoren heimisch geworden sind. Jetzt ist Egon Ammann im Alter von 75 Jahren in Berlin gestorben.

 

Quelle: F.A.Z.