Kunstmuseum Olten
Pedro Meier Ausstellung
»Aschenbilder – Zeichnungen – Randmarken«
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»Der Textur auf der Spur«
Pedro Meier zeigt neue Arbeiten
PAUL ZOLLER
Pedro Meiers Kunst erschöpft sich nicht darin, Oberflächen viel versprechend zu polieren, im Trend liegende Ideen zu visualisieren oder nur schönen Schein zu produzieren. Wenn ein pressierter Besucher seiner jüngsten Ausstellung im Kunstmuseum Olten auch leicht so denken könnte. Zeit und sorgfältige Aufmerksamkeit werden schon nötig sein, um auf Pedro Meiers Arbeiten gebührend einzugehen. Der übliche Weg der Betrachtung nämlich, wo brav einer gestalterischen Hierarchie gefolgt werden darf, kann in diesen Bildern nicht gegangen werden. In ihnen ist sämtliches, und das ziemlich konsequent, von gleichem Wert. Wird üblicherweise in Hauptsache und Detail dividiert, so kann hier so nicht gerechnet werden. Bei Pedro Meier gibt es, um im abzählbaren Rahmen zu bleiben, nur eine Zahl: Eins. Eins ist Substanz, Zeichen und Deutung.
Wo aber mit der Betrachtung beginnen, wenn der Wahrnehmungskreis solcherart geschlossen und weder Anfang noch Ende gegeben ist? Vielleicht muss weniger verklärt nach dem einen Grossen, als vielmehr nach den vielen Kleinheiten gefragt werden, wie sie in den Werken Pedro Meiers einge- und verflochten sind. Vielleicht lässt sich dort das Wesen dieser Werke ergründen.
Anlehnung
Pedro Meier nimmt als Bildgrund gerne Papier. Nicht irgendein Papier freilich darf es sein. Meier, der ja teils in Aarburg, teils in Bangkok arbeitet, schöpft es eigenhändig nach ostasiatischer Art. Aus den Rindenfasern des Maulbeerbaumes ergibt sich, sachgemässe Behandlung vorausgesetzt, ohne irgendwelche
zusätzliche Leimung ein Papier, das die Festigkeit von Gewebe hat. Die Linien der Fasern sind zu Fläche verflochten, ohne Zutat und ohne Alchemie. Einfach geschöpft. Die Methode ist so ursprünglich wie raffiniert. Pedro Meier lehnt sich im weiteren Vorgehen unmittelbar an beschriebenen Prozess an und wiederholt ihn unter veränderten Vorzeichen. Mit dem Zeichenstift geht er ein auf seinen ersten Grund, wie selbstvergessen wiederholt er die Faserläufe, Linie spielt mit Linie und über die erste Textur legt sich eine nächste.
Weniger östlich durchsonnen, dafür von heftiger Materialität geprägt zeigen sich Meiers «Aschenbilder». In Dispersion dick angeteigt und eventuell direkt mit Händen und Fingern aufgetragen sind deckende Schichten und sich verzahnende Schraffuren angelegt. Fahl sind die Farben, und doch nuancenreich. In tausend Tönungen ist das Grau umspielt, wie letzte Widerscheine des Feuers und der Glut Ein Abgesang? Vielleicht ein Neubeginn.
Zwiesprache
Es kann das eine wie das andere sein. Beschreibt Peter Killer, Konservator des Oltner Kunstmuseums, Pedro Meier doch als «Recycler», als Wiederverwerter. Ein Mann, der den Wert ungegangener Wege und unerkannter Verbindungslinien kennt, ist er bestimmt auch, wenn nach einer Charakterisierung für den Urheber der «Randmarken» gefragt wird. 17 im 19. Jahrhundert abgezogene Nachdrucke von Radierungen Rembrandts waren gegeben, mit brauner Chinatusche hat Meier seine «Anmerkungen» darauf angebracht. Die «Anmerkungen» sind dabei nicht textlich, sondern es sind fein gezeichnete, sich knäuelnde Lockenlinien, eine Art privat eigensinniger Kalligraphie und ein Zwiegespräch auf einer Ebene, die keine Stimme kennt, sondern Bild ist und Zeichen. Das ist der Ort, wo Erklärungen dürftig werden, weil begriffliche Fixpunkte fehlen. Stattdessen locken unvermutete Strudel und Stränge von Verbindungen wie zum Beispiel dieser: Es war ausgerechnet Rembrandt, der im 17. Jahrhundert das Papier aus Rinde des Maulbeerbaumes erstmalig für seine Zeichnungen verwendete.
Kunstmuseum Olten
Pedro Meier – »Aschenbilder-Zeichnungen-Randmarken«
»Paraphrasen zu Rembrandt Radierungen«
Bis 4. Dezember 1994.